Frau Prof. Dr. Heller, seit dem August 2021 bekleiden Sie die Professur für Medienwissenschaft (Schwerpunkt Medien und digitale Kulturen) an der Uni Halle. In Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich unter anderem mit Medien im digitalen Wandel, mit Mediendispositiven oder auch digitaler Filmrestaurierung. Was genau fasziniert Sie an der Medienwissenschaft und im Speziellen am Film?
Die Durchdringung zwischen Medien und Alltag interessiert mich sehr. Es stellen sich Fragen wie: Wie stehen wir zur Welt? Wie interagieren wir mit technisch-apparative Medien und wie akzeptieren wir diese als Normalität? Aber was mich am meisten fasziniert – und damit komme ich zum Film–, dass Bewegtbilder in der Lage sind einen derart zu fesseln und an andere Orte zu tragen, Welten zu öffnen und andere Perspektiven auf die Welt zu bekommen. Mich interessiert die sinnliche Wahrnehmung dessen sowie diese zu hinterfragen und einzuordnen.
Schon zu Schulzeiten bin ich gerne ins Kino gegangen und hatte eine große Faszination für Filme und Serien. Im Studium habe ich zunächst Filme analysiert. Doch dann habe ich gemerkt, dass es nicht nur die Filme selbst sind, sondern der Raum in dem man sie rezipiert und wie man in diesem positioniert ist. Dann fragt man sich: Muss ich beim Filme schauen immer sitzen oder schaue ich den Film auf dem Handy und bewege mich mit dem Film im Raum. Was verändert das dann? Und dann ist man gar nicht mehr so eng beim Film, sondern eben bei der Durchdringung des Alltags mit Medien.
Sie haben in Bochum studiert und promoviert, hatten Lehraufträge an der Uni Marburg und waren zuletzt am Seminar für Filmwissenschaft an der Uni Zürich. In wie weit unterschieden sich die Studiengänge dort von dem an der Uni Halle – auch im Hinblick auf einen Praxisbezug?
Ich bin damals zum Studieren nach Bochum gegangen, weil ich dort im Hauptfach Film- und Fernsehwissenschaft studieren konnte, sowie – und das ist meine andere Leidenschaft gewesen – im Nebenfach Theaterwissenschaft. Dies konnte man in dieser Kombination nur an sehr wenigen Universitäten studieren und so bin ich nach Bochum gezogen. An der Ruhr-Universität hatten wir die Möglichkeit Praxismodule (beispielsweise Schnittkurse) zu belegen – auch wenn es nicht ganz so ausgelegt war wie hier in Halle. Die Theaterpraxis wurde in Bochum groß geschrieben. Wir hatten eine riesige Studiobühne mit sehr innovativen Möglichkeiten die Bühne zu fahren. Damals kam die Vermischung von Video und Theater auf und so habe ich unter anderem Videoprojekte mit dem Schauspielhaus in Bochum realisieren können. Auch wenn ich mich schlussendlich für eine Promotion in der Filmwissenschaft entschieden habe, so habe ich das Theater nicht ganz aufgegeben und nebenbei sogar als Theaterpädagogin gearbeitet.
Der Cut kam als ich mit der Dissertation fertig war und ein Jobangebot aus Zürich bekam; jedoch mit einem komplett neuen Thema: Digitalisierung des audiovisuellen Erbes. Normalerweise ist die Promotion in Zürich sehr theoretisch und sehr filmwissenschaftlich. Das Projekt zur Digitalisierung des audiovisuellen Erbes stellte jedoch das genaue Gegenstück dar. Es war damals sehr neu und wir wurden manchmal gar etwas schräg angeschaut. In der Zusammenarbeit mit Informatiker*innen, Physiker*innen oder auch Chemiker*innen habe ich eine Art Zusatzausbildung in Filmbearbeitung, -restaurierung und -überlieferung, aber auch Filmdigitalisierung sowie Postproduction bekommen.
Die Medienwissenschaft ist ein Fach zwischen den Feldern, aber ich glaube das liegt weniger am Gegenstand selbst, als an den Fragestellungen, die man an den Gegenstand hat. Und natürlich hängt es von den Menschen ab, mit denen man zusammen interdisziplinäre Fragestellungen entwickeln kann.
Wie haben Sie die Covid-19-Pandemie in Ihrem Beruf als Wissenschaftlerin und Dozentin empfunden und wie hat sich Ihre tägliche Arbeit in dieser Zeit verändert?
Die Pandemie hat sich massiv auf meinen Beruf ausgewirkt. Es macht etwas mit Einem – das kann man nicht leugnen. Es ist schon eine Erfahrung aus dem eigenen privaten Arbeitszimmer heraus zu unterrichten; es verändert wie man spricht oder wie man präsentiert. Für mich ist dies medienwissenschaftlich und auch psychologisch sehr interessant. Auf der einen Seite ist man privat und auf der anderen Seite doch gleichzeitig vor einer (meist unsichtbaren) riesigen Menschenmenge. Ich finde das ein ganz merkwürdiges Gefühl.
Auch die Kommunikation und Interaktion mit Studierenden hat sich verändert. Das kann Vorteile haben, zum Beispiel, dass man immer die Namen sieht und daher die Studierenden direkt ansprechen kann. Auch die Möglichkeit in einer Vorlesung über den Chat zu arbeiten oder in der Gruppe eine Co-Moderator*in zu bestimmen, habe ich schätzen gelernt. Gleichzeitig hat Online-Lehre natürlich auch seine Nachteile. Wir geben unser Bestes die Uni in Online zu übersetzen. Aber Universität besteht ja nicht nur aus Lehrveranstaltungen, sondern auch aus dem ganzen Sozialleben drumherum. Das leidet aktuell sehr.
Haben Sie einen persönlichen Tipp für Erstsemester?
Lassen Sie sich nicht einschüchtern – weder vom Administrativen (der ganzen Bürokratie, die Uni so bedeutet), noch von der am Anfang vielleicht fremden Sprache und Denkweise. Trauen Sie sich zu, dass Sie zu Recht da sind und lassen Sie sich darauf ein. Ich habe – und das kann ich ganz offen sagen – die ersten vier-fünf Wochen meines Studiums die Texte, die wir gelesen haben aufgrund dieser neuen Sprache und Denkweise alle nicht verstanden. Aber das lernt man wie eine neue Sprache.
Und lassen Sie sich von den Dozierenden nicht einschüchtern! Fordern Sie diese immer wieder neu heraus. Es ist leicht etwas kompliziert zu erklären, aber komplexe Zusammenhänge leicht verständlich zu formulieren, schwer. Fragen Sie also immer weiter nach, fordern Sie uns heraus und lassen Sie sich nicht einschüchtern – weder von der Institution, noch von dem ganzen Drumherum.
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