Woher kam mein Wunsch als Lehrer selber „alles später besser zu machen“?
Es waren mehrere Faktoren, die mich in meiner Schulzeit dazu brachten, mir immer wieder zu schwören, dass ich als Lehrer mal alles besser machen würde: der feste Lehrplan, die Inflexibilität vieler Lehrer und die seltsame Benotung. Besonders prägend für mich war, dass mir es schon immer unglaublich schwer fiel mich dauerhaft zu konzentrieren, wenn mir jemand minutenlang einen Vortrag hält. Leider bestand aber 90% meines Unterrichts genau daraus - dem klassischen Frontalunterricht. Diese Unterrichtsform holte mich inhaltlich überhaupt nicht ab, wodurch es mir unglaublich schwer fiel mich überhaupt dazu motivieren in die Schule zu gehen. Ich brauche einen Praxisbezug zu einem Thema, dann fällt es mir deutlich leichter zu lernen und ich kann mich dann auch richtig für komplexe Themen begeistern…Beispiel Politikunterricht: Warum immer nur über politische Theorien reden im Unterricht? Warum können wir nicht als Projektfahrt mal in den Landtag fahren, ein Gespräch mit einem Abgeordneten führen und damit das reale alltägliche politische Geschäft besser kennenlernen?
Dass meine Mitschüler*innen und ich meistens auch nur nach der quantitativen Anzahl an Meldungen und Beiträgen statt deren Qualität benotet wurden, brachte mich als damals schüchternen Schüler immer tiefer in einen Teufelskreis – der Höhepunkt: sechs Mal Mangelhaft bei insgesamt nur 10 Fächern auf dem Zeugnis! Egal wie ich mich bemühte, irgendwie kam nie in meinen Noten zur Geltung, dass ich mich wenigstens versuchte anzustrengen und alles Mögliche versucht habe, auch wenn halt vielleicht Mathe oder Chemie nicht meine Talente sind, sondern eher soziale Interaktion? Aber so etwas bildeten meine Schulzeugnisse, bis auf die kurze Phase der Kopfnoten, nie ab. Spätesten an diesem Punkt fühlte ich mich das erste Mal in meinem Leben so richtig nutzlos, dumm und zweifelte extrem an mir selber und meinem Schulweg. Mit biegen und brechen, aber vor allem meiner Leidenschaft zur Musik schaffte ich dann doch noch mein Abitur mit einem Schnitt von 3,2.
All diese Probleme tauchten bei mir dann auch wieder im Lehramtstudium auf und ließen meinen Traum vom „guten“ Lehrer platzen. Nicht unbedingt, weil die Lehre an der Universität meine oben benannten Probleme nicht kennt und versucht den zukünftigen Lehrern diese bewusst zu machen und ihnen neuartige Unterrichtsformen beizubringen, sondern vor allem, weil die Institution Schule und das Bildungssystem an sich das Problem sind. Es wird gespart ohne Ende, darunter leidet die Infrastruktur und die Ausstattung jeder Schule, alte uneinsichtige Lehrer halten die neuen Methoden für unsinnig und manch ein Schulleiter ist einfach nur froh, wenn ihm seine Schule durch das Engagement engagierter Lehrer*innen nicht noch mehr Arbeit macht. All das hemmt den Fortschritt innerhalb der Schule und sorgte gleichzeitig bei mir dafür, dass der Frust so hoch wurde, dass ich mein Lehramtstudium schmiss.
Meine neue Vision
Mir wurde bewusst, dass wenn ich was ändern möchte, das System ändern muss. Deshalb wurde ich auch zu einem Bildungsaktivisten, der ich noch heute bin. Neben dem Studium setze ich mich dafür in verschiedensten Bildungsprojekten ein, während mich mein Studium vertiefend darauf vorbereitet vielleicht eines Tages tatsächlich das Bildungssystem neu gestalten zu können. Dafür brauchen wir aber nicht nur mehr Lehramt-Studierende, sondern auch Menschen wie du und ich, die sich nicht von dem Frust „einsperren“ lassen, sondern mobil machen, um für mehr Bildungsgerechtigkeit, Chancengleichheit und die erneute Anpassung und Aktualisierung unseres Bildungssystems kämpfen. Denn das ist der richtige Weg für mich als Erziehungswissenschaftler.
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